Organisationen und Institutionen nutzen das World Wide Web vornehmlich zur Bereitstellung von Informationen. Ihnen bietet sich die Möglichkeit, sich selbst (endlich ohne den "verzerrenden Filter" der Presse) der Öffentlicheit in einem Massenmedium darzustellen - noch dazu ohne begrenzte "Redezeit". Viele der Anbieter von Inhalten, insbesondere auch die politischen Parteien, können den Möglichkeiten der Selbstdarstellung, die sich hier bieten, dann auch nicht widerstehen. Das bei der Betrachtung anderer Medien gewonnene Bild von "öffentlicher Politik", bei dem die oftmals schwierige Sachdiskussion von Inszenierungen und Scheingefechten überwogen wird, trifft in gewisser Weise auch auf die Angebote im World Wide Web zu. Zwar sind die Angebote hier eher themenbezogen,(331) doch bewegen sie sich zumeist nur an der Oberfläche. Eine tiefe Strukturierung der Angebote mit umfassenden Hintergrundinformationen, Kommentaren und Darstellungen des politischen Diskurses fehlt zumeist ebenso wie eine inhaltliche Vernetzung der Themen(332) oder gar ganzer Angebote. Es entstehen so, wie bereits erwähnt, "Informationsinseln", die vornehmlich durch Selbstdarstellungen gekennzeichnet sind und oftmals in frappierender Art und Weise an Werbebroschüren erinnern. Das ebenfalls bekannte Bild, daß die Herstellung eines gesellschaftlichen Diskurses nicht in den Aufgabenbereich der Parteien (und mit Einschränkungen auch Organisationen) fällt, sondern allein den Medien obliegt, wird so gestützt.
Da die Medien die Aufgabe, einen gesellschaftlichen Diskurs herzustellen im Netz jedoch ebenfalls noch nicht wahrnehmen, sondern vielmehr auch "nur" Informationen bereitstellen, wobei vornehmlich bestehende Inhalte aus anderen Medien übertragen werden, sind die Voraussetzungen für ein politisch orientiertes Massenmedium im World Wide Web noch nicht gegeben. Die bei der Betrachtung des Fernsehangebots aufgestellte Forderung nach professioneller, kritischer, qualifizierter und auch umfassender Begleitung des politischen Geschehens, um den gesellschaftlichen Diskurs zu fördern, bzw. ihn oftmals erst in Gang zu bringen, wird bisher nicht erfüllt.
Hier spielt sicher auch eine Rolle, daß die meisten Angebote erst seit kurzem bestehen, bzw. sich noch im Aufbau befinden, allgemein noch kaum Erfahrungen mit dem Internet, geschweige denn mit dem World Wide Web als Massenkommunikationsmittel bestehen und noch nicht absehbar ist, wie Angebote sich finanziell tragen sollen.
Trotzdem ist m.E. bedenklich, wie unverhältnismäßig stark die beim professionell-kommerziellen Einsatz zur Verfügung stehenden Mittel für eine optische Gestaltung und kaum für die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationskonzepte eingesetzt werden. Auch die im nichtkommerziellen Bereich in Pilotprojekten entwickelten Konzepte und Erfahrungen scheinen hier kaum reflektiert zu werden. So reichen die professionellen Bemühungen kaum über eine mehr oder weniger übersichtlich sortierte Bereitstellung bereits vorliegender Informationen hinaus. (Man könnte dies auch als multimediale oder "bunte" Umsetzung der Gopher-Idee bezeichnen.)
Erst mit der Entwicklung neuer Berufsbilder ist m.E. mit der Ablösung der noch überall im World Wide Web zu beobachtenden Übernahme von bekannten Konzepten durch innovative, die vernetzte Struktur, die Möglichkeiten des Hypertext und der Integration verschiedener Kommunikationsanwendungen zu rechnen. Die wirklich entscheidenden Fragen sind jedoch, mit welcher grundlegenden Vorstellung die Angebote konzipiert werden - ob im World Wide Web ein politisch relevantes Informations- und Kommunikationsmedium gesehen wird, das den gesellschaftlichen und politischen Diskurs fördern kann (und ob dies erwünscht ist) oder ob im World Wide Web ein Distributionsmedium gesehen wird, mit einseitig gerichteter Informationsverteilung.
Die den Medien zugeschriebene Artikulationsfunktion kann durch das Netz bisher nur eingeschränkt wahrgenommen werden, da erst ein kleiner Teil der Bevölkerung an diesem Medium direkt teilnimmt. Für die Sammlung und Artikulation von gesellschaftlichen Interessen eignet sich das Internet - falls die Gruppe, deren Interessen artikuliert werden sollen, im Netz ausreichend präsent ist - durch die Möglichkeit der permanenten und trotzdem zeitlich individuellen Kommunikation und die Möglichkeit, Diskussionen ohne einen festgelegten Ort führen zu können, sehr gut. Auch hierfür wird das World Wide Web, das technisch die Vereinigung aller Kommunikationsdienste möglich macht, allerdings noch kaum genutzt. Gedankensammlungen und Diskurse laufen z. Zt. ebenfalls noch vornehmlich in anderen Kommunikationsdiensten. Für die Artikulation der Ergebnisse des internen Gruppendiskurses taugt das Internet bisher noch wenig, was eben an seiner noch geringen allgemeinen Verbreitung liegt.
Voraussetzung für eine breitere Verbreitung wäre m.E. neben der Schaffung eines allgemeinen Zugangs und der Herstellung gesellschaftlicher Akzeptanz (wozu das oft verbreitete Bild, das Internet sei ein Hort von Pornographie und Rechtsradikalismus, sicher nicht beiträgt) v.a. die Bereitstellung zentraler, nicht von gesellschaftlichen Gruppen abhängiger Einstiegspunkte (wie z.B. "De Digitale Stad"), insbesondere mit regionalem und thematischem Bezug. Solche Angebote werden bisher jedoch v.a. von kommerziellen Anbietern in Form von Auflistungen ohne Kommentierung oder Bewertung bereitgestellt. Für neue Nutzer stellt sich das World Wide Web sonst allzu leicht als eine unüberschaubare Flut von Informationen dar, die wegen ihrer Unübersichtlichkeit und schweren Bewertbarkeit nur wenig Wert hat, und auch der erfahrenere Nutzer findet bei der Suche nach thematisch für ihn neuen Inhalten nur über Suchmaschinen einen Einstieg. Dies bedeutet aber zum einen, daß man sich von diesen kommerziellen Informationsanbietern abhängig macht und zum anderen, daß die Suche nach relevanten Informationen oftmals äußerst mühsam ist. Eine Bildung von "Themennetzen" mittels Hypertext innerhalb des umfassenden Internet und die "Vorfilterung", bzw. Kommentierung der Angebote durch Netzmedien würde attraktive Einstiegspunkte sowohl bei der Informationssuche, als auch für den Diskurs schaffen und könnte dabei auch zur Lösung eines der Hauptprobleme des Internet beitragen, indem es helfen könnte, relevante Informationen von irrelevanten zu unterscheiden. Bei Themen, mit denen der Nutzer bisher nicht vertraut ist, den Inhalt eines Angebots also nur schwerlich kritisch beurteilen kann, ist dies im Moment nur durch den Rückgriff auf einen aus anderen Zusammenhängen stammenden Vertrauensbonus möglich. Bspw. kann er sich sagen, der BUND, GREENPEACE oder EARTH-WATCH erscheine ihm als glaubwürdige Organisation, deshalb baue er bei seiner Meinungsbildung auf deren Informationen auf. Informationen unbekannterer Organisationen oder gar Einzelpersonen gehen dadurch in der Meinungsbildung weitgehend verloren, und damit auch die Idee der Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten.
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