12. Fazit

Im Folgenden sollen die in den beiden Zusammenfassungen dargestellten Ergebnisse nicht noch einmal aufgelistet, sondern diese vielmehr nochmals verdichtet werden, um so die am Anfang der Arbeit gestellten Fragen zu beantworten.

Wie die vorangegangene Untersuchung gezeigt hat, lassen sich bei der Politikvermittlung durch das Medium Fernsehen deutliche Schwächen erkennen. Der Zwang zur Visualisierung führt zu einer Personalisierung bzw. Verkürzung von Politik auf medienwirksame Ereignisse. Dadurch kann beim Zuschauer zwar ein Gefühl von Informiertheit entstehen, gleichzeitig kommt es infolge des Ereignischarakters der politischen Information - die ja vornehmlich darüber informiert, was geschehen bzw. bereits beschlossen ist - zu einem Ohnmachtsgefühl. Die politische Ebene der Gesellschaft wird als selbständiges System wahrgenommen, das vom eigenen Leben losgelöst ist.

Diese Form der medialen Politikvermittlung kann kaum zum politischen Engagement anregen und die Wahrnehmung von Partizipationsmöglichkeiten fördern. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß hierdurch Resignation und Politikverdrossenheit gefördert werden. Die Möglichkeit des gesellschaftlichen Diskurses ist durch das Fernsehen nur mittelbar gegeben. Durch die fehlende technische Möglichkeit kommunikativer Interaktion und die strukturbedingte Verantwortlichkeit und auch Macht der Veranstalter ist es lediglich möglich, daß von der Redaktion ausgewählte "Stellvertreter" einen Diskurs über vorgegebene Themen führen. Die daraus abgeleitete These der Meinungsführerschaft des Fernsehens wird, sofern sie jemals wirklich zutraf, in einer sich immer stärker differenzierenden Gesellschaft zwar immer unbedeutender, doch öffnet sich das Medium dadurch nicht zwangsläufig anderen Themen oder Interessenstandpunkten. Die hohen ökonomischen Anforderungen, die das System Fernsehen an potentielle Veranstalter stellt, führen dazu, daß die Zahl der Veranstalter begrenzt bleiben wird. Der Wegfall der Frequenzknappheit durch die Einführung digitalen Fernsehens wird daran nichts wesentliches ändern. Durch die anstehenden Investitionen und Verteilungskämpfe ist vielmehr mit einem erhöhten Konzentrationsdruck zu rechnen. Der mögliche Einstieg weiterer Verleger ins Fernsehgeschäft (evtl. in Zusammenarbeit mit finanzstarken Partnern wie etwa Stromkonzernen) wird daran nichts ändern, da dadurch im wesentlichen lediglich die publizistische Macht dieser Unternehmen gestärkt oder im Kampf um Marktsegmente gehalten wird. So könnte es zwar auf diesem Weg zu einer Steigerung der Zahl der Veranstalter kommen, nicht aber zu einer Stärkung der Meinungsvielfalt. Die permanente Präsenz der gleichen Verleger, Herausgeber bzw. Mediengruppen in den verschiedenen Medien schränkt die Vielfalt der Meinungen vielmehr ein.

Die Folge ist, daß das Fernsehen vorrangig zu einer Meinungsbildung und weniger zu einer politischen Willensbildung beiträgt, da Politikvermittlung in diesem Medium - wie bereits erwähnt - v.a. ereignisbezogen ist und so bereits getroffene Entscheidungen oder schon weit fortgeschrittene Diskussionen thematisiert. Die anstehenden Veränderungen lassen so auch keine wirklichen Ansätze für Veränderungen des Systems Fernsehen erkennen. Es wird weiterhin ein einseitig gerichteter Informationsverteiler sein, der nur selektierte Informationen zur Verfügung stellt. Eine Erhöhung der Zahl der Fernsehkanäle bzw. Veranstalter wird daran nichts ändern, da auch neue Veranstalter und Kanäle sich in dem gegebenen System Fernsehen, das ein kommerzielles Distributionsmedium ist, bewegen.

Die Kritik an dem System Fernsehen soll allerdings nicht die Funktionen des Fernsehens als Vermittler von Informationen in Abrede stellen. Zum Teil wird das Fernsehen für eine umfassende, kritische und (selten) auch frühzeitige Informationsvermittlung genutzt, die einen gesellschaftlichen Diskurs lange vor der Entscheidung auf politischer Ebene in Gang bringt. Doch bietet dieses System keine Möglichkeiten für die partizipatorische Nutzung durch den Zuschauer, ein gesellschaftlicher Diskurs kann zwar im günstigen Fall durch das Medium angeregt, nicht aber in diesem Medium geführt werden.

Ähnliche Tendenzen sind im "institutionalisierten", kommerziellen Teil des Internet in Deutschland zu beobachten. Der fehlende Zwang zur Visualisierung wirkt sich hier zwar positiv aus, indem es i.A. nicht zu einer mit dem Fernsehen vergleichbaren Personalisierung des politisch orientierten Angebots kommt, doch führt die fehlende Verknüpfung der Angebote untereinander und v.a. auch die fehlende Verknüpfung mit themenbezogenen Kommunikationsmöglichkeiten auch hier kaum zur Stärkung des gesellschaftlichen Diskurses. Die meist stark an Printmedien orientierten Angebote beschränken sich in erster Linie auf die Bereitstellung von Informationen. Dies führt dazu, daß dem Nutzer vornehmlich die Möglichkeit des passiven Konsumierens von Informationen geboten wird, nicht aber die Möglichkeit aktiver Teilnahme.

Ebenso wie bei der multimedialen Umsetzung der Inhalte fehlt dem World Wide Web auch bei der Verknüpfung von Information und Kommunikation noch eine eigene Gestaltungsästhetik. Diese Tatsache ist vor dem Hintergrund der erst kurzen Entwicklungsgeschichte als Massenmedium zwar verständlich, doch ist die Tendenz, unter Interaktivität im Internet immer häufiger dasselbe zu verstehen wie unter Interaktivität im Fernsehen - nämlich lediglich die Auswahlmöglichkeit aus einem bestehenden Angebot - und das Zurückdrängen von Kommunikationsmöglichkeiten in eigene Dienste insofern bedenklich, als das oft propagierte Zusammenwachsen von Telekommunikation, audiovisuellen und Printmedien, von dem man sich neue Möglichkeiten der Kommunikation und Interaktion erhoffen könnte, damit auf eine lediglich technische Ebene reduziert wird. Ob aber Telefon, Radio, Fernsehen, PC etc. als jeweils eigene Geräte existieren und jeweils einen eigenen Anschluß an die Außenwelt bereitstellen oder ob dies über ein Gerät und einen Anschluß geschieht, ist letztlich sowohl für den Nutzer als auch für die Art der Kommunikation und Information gleichgültig.

Die Probleme, die sich momentan einer umfassenden Umsetzung der theoretisch vorhandenen Informations- und Diskursmöglichkeiten entgegenstellen, resultieren neben der bereits genannten mangelnden Erfahrung vornehmlich aus dem Gegensatz einer notwendigen professionellen Umsetzung und den nicht absehbaren Möglichkeiten einer kommerziellen Umsetzung solcher Angebote in einem offenen, neben Information auch am Diskurs orientierten System. Die Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung über Abonnements oder Zugriffsgebühren ist dagegen absehbar. Sie führt m.E. mit dazu, daß die professionellen Informationsangebote als weitestgehend in sich geschlossene Systeme aufgebaut werden, da es ja gilt, einen (zahlenden) Nutzer im eigenen Angebot zu halten und nicht auf die Angebote der Konkurrenz aufmerksam zu machen. Eine tiefe Strukturierung der Hypertext-Angebote, die umfassende Hintergrundinformationen, Erklärungen, Kommentare etc. bereitstellt, ist in einzelnen Angeboten im Entstehen begriffen. Durch eine intensive Nutzung dieser Möglichkeit könnte die Wissenskluft zwischen Personen unterschiedlichen Bildungsgrades abgebaut werden, da die Informationsangebote quasi "selbsterklärend" gestaltet werden könnten und Wissenslücken so nicht mehr zum Nichtverstehen von gegebenen Informationen, sondern lediglich zu einem größeren Aufwand bei der persönlichen "Bearbeitung" der Informationen durch den Nutzer führen würden. Voraussetzung hierfür wäre neben dem nötigen Interesse des Nutzers und seiner Bereitschaft, sich diese Arbeit zu machen, v.a. ein allgemeiner Zugang zu den Informationsangeboten. Also sowohl die Möglichkeit, kostengünstig einen technischen Zugang zu erhalten, als auch die Informationsangebote kostengünstig abzurufen. Für die Verwirklichung dieser Voraussetzungen kommen bei der technischen Zugangsbereitstellung v.a. öffentliche Terminals, bspw. in Bibliotheken, in Frage und bei der Bereitstellung von Inhalten eine Ergänzung der kommerziellen Angebote durch entweder öffentlich-rechtliche Angebote oder durch die Übertragung dieser Aufgabe an unabhängige Stiftungen, deren Ziel die kostenfreie Grundversorgung der Bevölkerung mit gut strukturierten, umfassenden Angeboten sein müßte, die neben der Information auch den Diskurs auf breiter Ebene fördern sollten.
Die Fragmentierung der Gesellschaft könnte durch die zu erwartende sehr unterschiedliche Nutzung der großen Zahl von Angeboten zwar noch weiter vorangetrieben werden, doch würde selbst der Verzicht der Nutzung neuer technischer Möglichkeiten kaum gegen dieses Auseinanderfallen der Gesellschaft helfen. Die immer stärker werdende Differenzierung der Gesellschaft scheint kaum aufzuhalten zu sein, lediglich die Entwicklung, Formulierung und glaubwürdige Verfolgung gemeinsamer Grundinteressen könnte dem entgegenwirken. Der Wegfall politischer Ideologien und das alleinige Überleben der Marktwirtschaft haben zu einem Ideenvakuum geführt, in dem sich die Gesellschaft immer mehr von den einstigen Zielen der "civil society" und der Aufklärung entfernt. Ein erneuter Ausbruch aus der "selbstverschuldeten Unmündigkeit"(333) und der "öffentliche Gebrauch der Vernunft"(334) sind zwar sicher Anforderungen, die sich zunächst an den Einzelnen richten, aber auch Politik und Medien angehen. Die erstgenannte, da sie sich auf die Tradition der Aufklärung beruft und ein gesellschaftliches Zurückfallen in der Entwicklung sie früher oder später ganz direkt treffen würde, die letztgenannte, da sie sich zum Motor einer solchen Entwicklung machen könnte.

Im Gegensatz zu kulturpessimistischen Ansätzen würde ich gerade in manchen technischen Entwicklungen des Kommunikationssektors - bei einem einigermaßen vernünftigen Gebrauch - eine Chance für die Umsetzung der genannten Denkansätze sehen. M.E. gilt es dabei die neuen Medien weiterhin als Instrument und Hilfsmittel gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen und nicht umgekehrt als "Nabel der Welt" zu sehen, wie dies leider einige Medientheoretiker tun.(335) Diese positive Sichtweise ist m.E. neben den bereits genannten zunächst v.a. an folgende Voraussetzungen geknüpft:

Computervermittelte Kommunikation könnte durch die Verknüpfung von Information und Diskurs zu einem dialektischen Prozeß führen, der wesentlich stärker, als dies bei den heute weit verbreiteten Medien der Fall ist, zum Erkenntnisgewinn und zur Entwicklung neuer Ideen beitragen könnte, womit sie sich in hervorragender Weise zu einer ergänzenden demokratischen Infrastruktur entwickeln könnte.



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