7. Zusammenfassung Fernsehen

Die Ausweitung der Übertragungskapazitäten durch die Digitalisierung des Fernsehens kann m.E. nicht zu einer qualitativen Programmverbesserung führen.(167)
Systeme wie Near Video on Demand und Video on Demand können eine weitere Individualisierung des Zuschauers bedingen, wodurch dieser jedoch lediglich ein geringfügig autonomerer Konsument wird. Anreize, mehr hochwertiges Programm zu produzieren, werden dadurch jedoch kaum entstehen. Zum einen, weil Quantität der natürliche Feind von Qualität ist, was in diesem Fall bedeutet, daß sich die zur Verfügung stehenden finanziellen, zeitlichen und Produktionsmittel auf mehr Programme verteilen und so für die einzelne Sendung weniger übrigbleibt. (Dies kann nur zu Lasten der Qualität gehen.) Zum anderen ist eine beliebige Ausweitung von Qualitätsprogrammen infolge der begrenzten Produktionskapazitäten selbst beim Willen zur Finanzierung frühestens mittelfristig möglich, da die vorhandenen Produktionskapazitäten für Qualitätsprogramme, insbesondere im Personalbereich, heute weitestgehend ausgeschöpft werden. Die Zuschauer werden sich bei einer Vermehrung der Fernsehkanäle also noch stärker mit "Meterware" konfrontiert sehen: Serien, Wiederholungen, Spiel- und Talkshows. Für die demokratische Gesellschaft wird dies aber sicher keinen Gewinn bedeuten.

Lediglich in Randbereichen scheinen sich positive Möglichkeiten zu bieten. So könnte z.B. im Bildungsbereich bei intelligent gestalteten Programmen Interaktivität mit einer Maschine Sinn machen.(168)

Die hochgepriesene Interaktivität wird v.a. in Konsumbereichen ihre Anwendung finden: Kaufen - Spielen - Unterhaltung.
Die aktive politische Beteiligung des Bürgers in der Gesellschaft wird dadurch nicht gefördert, sondern im Gegenteil eher noch weiter behindert werden, da die entstehenden Anwendungen keinen gleichwertigen kommunikativen Ersatz für wegfallende Kommunikationsformen bilden werden.(169)

Fernsehen wird immer mehr als riesiger Markt und als "Standortfrage" betrachtet und immer weniger als demokratisches Medium. Der Zuschauer verliert so seinen Status als zu informierender Bürger und wird zunehmend zum zu bedienenden Konsumenten.

Technische Neuerungen sollen v.a. dazu genutzt werden, den Markt noch zu vergrößern und Gewinne zu maximieren. So sind bei näherer Betrachtung der Stichworte "Interaktivität im Fernsehen" und "Digitalisierung des Fernsehens" auch keine positiven Auswirkungen und Tendenzen für die Bereiche Politikvermittlung und Partizipation erkennbar.

Das Fernsehen zeigt bei der Politikvermittlung deutliche Schwächen. Aber gerade die Bereiche, in denen das (öffentlich-rechtliche) Fernsehen seine ihm in der Demokratie erwachsenden Aufgaben und Funktionen wirklich wahrnimmt, werden von der Politik am meisten kritisiert und sehen sich den größten Einflußversuchen ausgesetzt. Dem Rundfunk wieder eine "dienende Funktion" zuzuweisen heißt aber nicht, ihn zum Diener der Politik zu machen, sondern daß er gegenüber der Gesellschaft eine "dienende Funktion" übernehmen soll. In einer Demokratie bedeutet dies nicht Hofberichterstattung, sondern professionelle, kritische, qualifizierte und auch umfassende Begleitung des politischen Geschehens, um den gesellschaftlichen Diskurs zu fördern, bzw. ihn oftmals erst in Gang zu bringen.

Der scheinbaren Marktforderung nach kurzer und allzu reduzierter Politikvermittlung können die kommerziellen Anbieter, selbst wenn sie dies wollten, nicht entgegentreten, da sie wegen der Werbefinanzierung von den Ergebnissen der Marktforschung abhängig sind. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten dagegen können im Grunde, da sie weniger marktabhängig sind, stärker gegen diese Marktforderungen Programm machen. Insbesondere durch eine Stärkung von Magazinsendungen und Dokumentationen könnte dabei noch wesentlich stärker ein öffentlich-rechtliches Profil erarbeitet werden, das sich deutlich von dem der kommerziellen Sender absetzt, statt die scheinbaren "Erfolgsrezepte" der kommerziellen Konkurrenz zu kopieren, wie dies insbesondere im Vorabendprogramm bereits geschieht. Die Kritik, der die öffentlich-rechtlichen Sender ausgesetzt sind, wird von Hansjürgen Rosenbauer beschrieben: "Sind wir mit unseren Angeboten bei einer großen Zahl von Zuschauern erfolgreich, entsprechen wir also dem sogenannten Massengeschmack, werden wir dafür gescholten. Erreichen wir dagegen nur eine kleine Minderheit, können wir uns hämischer Bemerkungen sicher sein: 'Wozu auch noch Gebühren erhöhen oder überhaupt bezahlen, für ein Programm, das keiner hört und sieht?'"(170) Die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich eine Diskussion über ihre Wirtschaftlichkeit aufdrängen lassen, "statt über Kultur, über Information, über Grundversorgung und Öffentlichkeit zu diskutieren."(171) Würden die öffentlich-rechtlichen Sender offensiver auftreten, statt durch Kompromisse zu versuchen, die anscheinend unvermeidliche Kritik möglichst klein zu halten, sollte eine bewußte Bewegung gegen den durch Schnellebigkeit, Beliebigkeit und Unverbindlichkeit ausgezeichneten, nur noch scheinbar Information vermittelnden Mainstream verstärkt ermöglicht werden.

Für die Gesellschaft wichtig, wenn auch für die Politik schmerzlich, wäre deshalb die Lösung der öffentlich-rechtlichen Sender aus der Umarmung der Politik. Dazu gehörte ein zumindest teilweiser Rückzug der Parteien aus den Gremien der Sender und eine erneute "gesamtgesellschaftliche Kontrolle". (Die heute weniger denn je allein von den Parteien sichergestellt werden kann, da sie wohl noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik so wenig die gesamte Gesellschaft vertreten haben wie heute.) Dazu würde aber auch eine Änderung bei der Gebührenfestlegung gehören, die den direkten Einfluß der Landesregierungen (und damit der Parteien) auf das Programm reduzieren sollte. Dies würde in keiner Weise der Rundfunkhoheit der Länder widersprechen, da die Gebührenfestlegung nicht zur offiziellen Medienpolitik gehört. Es würde aber in hohem Maße helfen, die Grundgedanken, die diese Gesellschaft einmal formten und die Verfassungsrechtsprechung durchzusetzen.
Schließlich kann nur ein gestärkter, unabhängiger und der Öffentlichkeit verpflichteter Rundfunk auf Dauer eine der Demokratie und ihren Idealen verpflichtete Programmpolitik, insbesondere in politischer Hinsicht sicherstellen.
Der starke Konzentrationsdruck, der auf einer derart boomenden und durch hohen Innovationsdruck ausgezeichneten Branche wie der Medienbranche liegt, macht jede Voraussage, wie sich der kommerzielle Bereich auf lange Sicht entwickeln wird, obsolet. Selbst wenn die kommerziellen Sender eines Tages eine umfassende und qualitativ hochwertige Politikvermittlung betreiben sollten, so wäre diese doch an die marktwirtschaftlichen Prozesse gebunden und könnte damit auch jederzeit sowohl vom Umfang als auch von der Qualität her große Veränderungen erfahren.

Ein an die Regierung(en) gebundener Rundfunk kann gegen politische Fehlentwicklungen, wenn diese erst die Regierungsebene erreicht haben, noch weniger Widerstand leisten als ein privatwirtschaftlich organisierter Rundfunk. Die letzte Rundfunkreform der Weimarer Republik, die die "Gleichschaltung" des Rundfunks in weiten Teilen schon 1932 organisierte, sollte heutigen Rundfunkpolitikern dabei als warnendes Beispiel dienen. Daß eine privatwirtschaftliche Organisation der Presse, insbesondere bei hoher Konzentration aber schon im Vorfeld diese Fehlentwicklungen unterstützen kann, sollte das Beispiel Hugenbergs deutlich gemacht haben.
Eine Favorisierung der privatwirtschaftlichen Option gerät also, je höher der Konzentrationsgrad ist umso mehr zu einem Vabanquespiel für oder gegen die demokratische Gesellschaft. Da aber auch eine Bindung an die Regierung(en) äußerst negativ wirken kann, sollte versucht werden, zumindest zumindest den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von seiner Organisation her dem Zugriff der Parteien und Regierungen zu entziehen und doch der Öffentlichkeit verpflichtet zu gestalten.



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