Folgende Punkte lassen sich i.A. als besonders wichtig für die verschiedenen Organisationen ausmachen: Die Öffentlichkeitsarbeit, bei der sehr unterschiedliche Ziele möglich sind. Während es für manche Organisationen besonders wichtig scheint, ihren Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit zu steigern, konzentrieren sich andere darauf, Mitglieder zu werben oder Spenden zu sammeln. Wiederum andere informieren vornehmlich über ihre Ziele und über ihre Arbeitsweise, bzw. versuchen Hintergrundinformationen zu vermitteln.
Besonders für kleinere, regionale und "Spartenorganisationen" ist auch der Kontakt zu anderen Organisationen, die sich mit denselben Problemen oder ähnlichen Zielen beschäftigen sowie der Informationsaustausch zwischen diesen Organisationen wichtig. Hier wird oft die Bildung eines zumindest informellen "Netzwerkes" angestrebt, um so die Arbeitseffizienz der einzelnen Organisationen steigern zu können. Schließlich spielt der Lobbyismus - in sehr unterschiedlicher Art und Weise - bei den Bemühungen, die eigenen Ziele durchzusetzen, eine wichtige Rolle.(253)
Natürlich stellt sich für die Organisationen die Frage, inwieweit es sinnvoll erscheint, die bisherige Arbeitsweise durch die Nutzung neuer Techniken zu ergänzen oder zu ändern, wobei die allgemein fehlenden Informationen über das Verhältnis der finanziellen und Arbeitsbelastung zum möglichen Erfolg, ähnlich wie im kommerziellen Bereich, viele Organisationen anscheinend noch vor einem größeren Engagement zurückschrecken lassen.
Drei allgemeine Feststellungen lassen sich nach dem Betrachten einer Vielzahl von Angeboten im World Wide Web treffen: 1. Große Organisationen sind zumeist mit umfangreicheren Angeboten vertreten als kleine Organisationen, was nicht sonderlich verwundert, da eine Organisation wie GREENPEACE oder der ADAC, um hier ein Gegensatzpaar als Beispiel anzuführen, über die nötigen finanziellen Möglichkeiten verfügen, in relativ kurzer Zeit ein größeres Angebot aufzubauen.(254) 2. In den meisten Fällen wird zumindest das World Wide Web vornehmlich zur Präsentation der Organisation und zur Bereitstellung von allgemeinen Informationen genutzt. 3. Bisher finden sich kaum interaktive Elemente in den WWW-Angeboten. (Auch ein Verweis auf die Newsgroups, die sich mit der Organisation oder deren Themen beschäftigen, fehlt in der Regel.(255)) Leider fehlt bisher auch weitestgehend eine Vernetzung der Organisationen untereinander. So wird zwar häufig auf einer gesonderten Seite ganz allgemein auf die Angebote "nahestehender Organisationen" verwiesen, also sogenannte "links" auf deren Angebot aufgelistet, aber keine inhaltliche Verknüpfung der Angebote vorgenommen. Eine Nutzung der Möglichkeiten des Hypertext im Sinne der Verknüpfung von verteilten Angeboten wird so nicht erreicht. Ein Benutzer, der das Angebot einer Organisation nutzt, wird so auf "dieser Insel" gehalten und lediglich durch das Angebot der jeweiligen Organisation geführt. Dies
führt z.T. dazu, daß die verschiedenen Organisationen parallel zueinander die gleichen Themenfelder bearbeiten, statt nur ihren jeweiligen Standpunkt klar zu machen und sich den für die Argumentation nötigen Aufwand zu teilen. Vor allem durch die fehlende Vernetzung der eigentlichen Themen entsteht die oft beklagte Unübersichtlichkeit der Angebote.(256) So ist die Metapher von den nicht miteinander verbundenen Inseln leider noch immer zutreffend. Bemühungen von
kommerziellen Anbietern, eine zentrale Anlaufstelle zu bestimmten Themen zu etablieren, die nach Unterthemen geordnet möglichst alle interessanten Angebote zusammenstellt, sind die logische Folge der fehlenden Vernetzung der einzelnen Angebote.(257) Belege dafür, daß es auch anders geht, erbringen v.a. kleine Organisationen, die, weil sie nicht in der Lage sind, allein umfassende Angebote aufzubauen, sich zu "informellen Netzwerken" zusammenschließen. Im Folgenden sollen die Möglichkeiten der Vernetzung am Beispiel des BUNDESWEITEN ALTERNATIVEN STUDENTISCHEN
INFORMATIONS-NETZWERKES (BASIN) kurz diskutiert werden.
"BASIN ist ein Versuch, studentische Vertretungen [...], Initiativen [...] und überregionale Organisationen [...] miteinander zu vernetzen, um so den Austausch von Informationsmaterial und erarbeiteten Positionen zu erleichtern."(258) Bei dieser Selbstdarstellung fallen zwei Dinge auf, die sich bei der näheren Betrachtung der Angebote bestätigen. Zum einen ist BASIN vornehmlich auf den Informationsaustausch der bereits hochschulpolitisch aktiven Studierenden ausgerichtet, es ist so - im Gegensatz zu den Angeboten der meisten anderen Organisationen - wenig auf Öffentlichkeitsarbeit ausgelegt und für Neueinsteiger zumeist wenig übersichtlich. Zum anderen handelt es sich um ein "On-Top"-Angebot, das lediglich versucht, einen Überblick über bereits
bestehende Angebote zu liefern, ohne diesen jedoch eine gemeinsame Struktur zu geben. Da die am BASIN beteiligten Vertreter der verschiedenen Hochschulorte jeweils einen eigenen "BASIN-Knoten" aufbauen und gestalten, sind diese bezüglich ihres Umfangs, der Qualität und der Struktur sehr unterschiedlich. So ist das Gesamtangebot der meisten "Knoten" zunächst auch vornehmlich nach den Orten der Bereitstellung und weniger nach den Themen sortiert. Die Möglichkeit, sich auf eine gemeinsame Struktur mit einem gemeinsamen Inhaltsverzeichnis zu einigen, das dann an jedem der "BASIN-Knoten" als Einstiegsseite erscheinen könnte und auf verschiedene Themenverzeichnisse verweisen würde, die jeweils von einer Person/ Organisation federführend für das gesamte Bundesgebiet betreut würden, wird so nicht
genutzt, obwohl sie sowohl zur Verbesserung des bundesweiten Angebots als auch zur Arbeitserleichterung der einzelnen Beteiligten beitragen könnte. So sind die Angebote in ihrem äußeren Erscheinungsbild äußerst unterschiedlich und wirken auf den Benutzer nicht wie ein Netzwerk, sondern eher wie einzelne Angebote, in die die üblichen Verweise auf andere Angebote eingearbeitet sind. Der Versuch, über den Verweis auf die anderen "BASIN-Knoten" so etwas wie eine "Corporate Identity" herzustellen, ist m.E. wenig gelungen. Dabei wären für die
Organisation des für ein einheitlich strukturiertes Netzwerk nötigen Informationsflusses bereits gute Voraussetzungen geschaffen. Speziell für die Diskussion technischer und organisatorischer Fragen unter den Anbietern von Informationen wurde die Mailing-Liste "Basin-Sites" eingerichtet, um die daneben bestehende Liste "Basin", die dazu gedacht ist, "aktuelle Informationen, Aktionen, Planungen, Termine, Resolutionen oder Reformentwürfe schnell zu verbreiten"(259), von Diskussionen über Formalitäten freizuhalten. Mit den zu studentischen Themen bestehenden Newsgroups, die bei BASIN auch genannt, jeweils kurz charakterisiert und in das Informationsangebot integriert werden(260), bestehen zudem geeignete Plätze für ausführliche inhaltliche Diskussionen. Die Informationsfunktion steht, wie ja schon dem Namen BUNDESWEITES ALTERNATIVES STUDENTISCHES INFORMATIONS-NETZWERK zu entnehmen ist, bei diesem Angebot eindeutig im Vordergrund. Neben aktuellen Informationen wird durch die Archive auch die Entwicklung der öffentlichen und der studentischen Diskussionen dokumentiert und so dem Benutzer
die Möglichkeit gegeben, sich umfassend zu informieren. Als Beispiel sei hier auf das Archiv des Arbeitskreises Hochschulpolitik in Marburg verwiesen, das in das BASIN-Angebot integriert ist und die verschiedenen offiziellen Positionspapiere, die seit dem Beginn der aktuellen Diskussion um eine Studienreform entstanden sind, samt studentischen Analysen und Gegenentwürfen zugänglich macht. Das "Register" dieses Archivs wird zentral in Marburg verwaltet (wenn sich auch eine Reihe von Inhalten auf anderen Rechnern im Bundesgebiet befindet) und macht in seiner recht guten Strukturierung noch einmal deutlich, daß die Schaffung von zentralen Themenregistern sehr zur Übersichtlichkeit beiträgt. Es bildet eine umfangreiche und fundierte Informationsgrundlage - wenn man weiß, daß es existiert und wo man es findet.(261)
Bei den meisten anderen Organisationen sieht die Situation ganz anders aus. Dort wird die Öffentlichkeitsarbeit in den Vordergrund gestellt und mit kurzen Informationen und evtl. der Bestellmöglichkeit für gedrucktes Informationsmaterial versehen. Ergänzt werden die Angebote im besten Fall durch jeweils organisationsspezifische Angebote. So haben die deutschsprachigen Sektionen von AMNESTY INTERNATIONAL z.B. die bei dieser Organisation schon lange verwendete Aktionsform des Protestbriefes in das Angebot im World Wide Web übernommen. Anläßlich der Olympischen Spiele in Atlanta wurde bspw. eine "elektronische Petitionsliste gegen die Todesstrafe in den USA" angelegt, in die sich jeder Benutzer des Angebots durch das Ausfüllen eines Formulars eintragen kann.(262) Und auch bei den "Urgent Actions" wird die schnelle Kommunikationsmöglichkeit des Internet genutzt. Diese Eilaktionen, bei denen AMNESTY INTERNATIONAL in konkreten Fällen weltweit dazu aufruft, sich bei den verantwortlichen Behörden für die Einhaltung der Menschenrechte der Betroffenen einzusetzen, werden direkt nach Bekanntwerden willkürlicher Verhaftungen oder der Bedrohung durch Folter oder Todesstrafe gestartet und zielen darauf ab, möglichst schnell einen breiten Protest zu organisieren. Somit eignet sich ein Verteiler für elektronische Post sehr gut, um an solchen Aktionen interessierte Menschen innerhalb kürzester Zeit auf einem für die Organisation preiswerten Weg zu erreichen. Da die meisten betroffenen Behörden oder Regierungen (noch) nicht über e-mail-Adressen verfügen, muß der Protest selbst weiterhin über Telefax, Telegramm, Telex, Telebrief oder Luftpostbrief laufen, doch kann die Zeit bis zum "Anlaufen" einer solchen Aktion durch die Verwendung computervermittelter Kommunikation deutlich verringert werden. Bei AMNESTY INTERNATIONAL ist daneben der Versuch, das eigene Angebot in ein "Menschenrechts-Netzwerk" einzubinden, deutlich erkennbar. So sind die Seiten der deutschsprachigen Sektionen mit denen der einzelnen Länderorganisationen und mit den Seiten der internationalen Zentrale eng verbunden und arbeitsteilig organisiert. Auch bestehen anscheinend keine Berührungsängste mit anderen Menschenrechtsorganisationen, denn an gleichwertiger Stelle neben dem Verweis zu den internationalen Seiten der Organisation findet sich der Verweis auf eine Übersicht über andere Angebote im Internet, die sich mit Menschenrechtsfragen beschäftigen.(263) Außer den Möglichkeiten der Multimedialität werden so eigentlich alle möglichen Vorteile, die computervermittelte Kommunikation gegenüber den bisherigen Kommunikationsformen bietet, genutzt. Die Diskussion mit Verantwortlichen der Organisation beschränkt sich allerdings auf den Hinweis, daß man für Ideen und Anregungen per e-mail dankbar sei. Auf Interaktionsmöglichkeiten, die den Benutzern des Angebots untereinander offenstehen (also die Möglichkeit der horizontalen Interaktion der Benutzer), bspw. die Newsgroup cl.gruppen.ai, wird jedoch dem allgemeinen Trend im World Wide Web entsprechend nicht hingewiesen.
Dem abnehmenden Einfluß der gesellschaftlichen Großorganisationen (wie Parteien oder Gewerkschaften) steht ein Aufstieg von basisdemokratischen Bewegungen gegenüber. "Es entstehen [...] neue Formen kurzfristig orientierter, meist nur wenig formalisierter und thematisch eingeschränkter Organisationen, die vorrangig durch Kommunikationsbeziehungen und weniger durch formale Mitgliedschaftsregeln zusammengehalten werden (vgl. Nullmeier 1989; Schmitt-Beck 1990). Der Informations- und Kommunikationsaufwand bei diesen Organisationen ist besonders hoch; sie sind zur Selbstorganisation auf ein leistungsfähiges Informations- und Kommunikationsnetzwerk existentiell angewiesen."(264)
Dies trifft besonders auf kleine Organisationen ohne einen Stab von haupt- und
nebenamtlichen Mitarbeitern, auf stark dezentral organisierte Organisationen oder regional bzw.
projektorientierte Gruppen wie Bürgerinitiativen zu. Für die oft schon existierenden, zumeist lose organisierten, informellen Netzwerke solcher Gruppen bietet das Internet eine gute
Kommunikationsgrundlage und stellt neben den Möglichkeiten der gegenseitigen Information und der Diskussion (je nach Bedarf über e-mail, Mailing-Listen oder Newsgroups) mit dem World Wide Web(265) auch die Möglichkeit zur Verfügung, die Bereiche der ehemals internen Information und Diskussion, die für die Allgemeinheit relevant erscheinen, gleichzeitig auch der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Hierbei bietet die Tatsache, daß die Informationen bereits elektronisch erfaßt vorliegen, zudem den Vorteil, daß sie für die Weiterverbreitung in anderen Medien nicht noch einmal komplett aufbereitet werden müssen.(266) Dabei wird deutlich, daß die Verständigung auf Grundstrukturen sowohl für die Übersichtlichkeit der Informationen, was besonders im Bereich der Außenwirkung von Bedeutung ist, als auch für eine mögliche Arbeitsteilung unter den "angeschlossenen" Organisationen äußerst vorteilhaft ist.
Vereinzelte Versuche, neben Bildern und Graphiken auch Ton- und Bewegtbildsequenzen in das Angebot zu integrieren, bzw. abrufbar zu machen, lassen sich bisher nur bei großen Organisationen (und auch hier nur äußerst selten) beobachten. GREENPEACE DEUTSCHLAND bietet bspw. neben dem Photo- auch ein Video- und ein Audioarchiv an. Dabei dürfte es sich wegen der langen Übertragungszeiten, die das Abrufen solcher Angebote erfordert, aber wohl um Angebote handeln, die entweder dem Benutzer zeigen sollen, daß man bei der Umsetzung der neuesten technischen Entwicklungen ganz vorne mit dabei ist, oder man möchte bei GREENPEACE schon Erfahrungen für die irgendwann beginnende "Multimedia-Zukunft" sammeln.(267)
Die Möglichkeit, auf aktuelle Ereignisse schnell zu reagieren, wird von Organisationen häufig genutzt. Zum Teil geschieht dies über einen "Nachrichten-Header" am Anfang des World-Wide-Web-Angebots, z.T. auch über die Möglichkeit, sich auf einen e-mail-Verteiler für aktuelle Nachrichten setzen zu lassen.
Kommunikationsanwendungen, die zumeist durch bestehende Newsgroups vorhanden sind, werden nur selten in das Informationsangebot der Organisation (im World Wide Web) integriert. Wie bei den Angeboten der politischen Institutionen handelt es sich also vornehmlich um eine "Top-Down"-Nutzung, wobei die Einbindung von Protestbrief- und Petitionslistenaktionen dem Benutzer das "Selbst-aktiv-werden" erleichtert.(268)
Eine Einbindung der Angebote in umfassende thematische Netzwerke und die Verflechtung von thematisch miteinander verwandten Angeboten unterschiedlicher Organisationen besteht bisher zumeist nicht. Man kann sagen, daß eine "Hypertext-Kultur" erst noch entwickelt werden muß.(269)
Insgesamt läßt sich feststellen, daß das World Wide Web von den meisten Organisationen vornehmlich für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt wird und dem Benutzer so ein Berg von mehr oder weniger dicken Broschüren zur Verfügung gestellt wird. Insbesondere für kleinere Organisationen ist dabei der relativ geringe ökonomische Aufwand, der für die Erstellung eines Angebots nötig ist, von Vorteil. Wenn die Organisation auf einen eigenen "Host"-Namen (also z.B. "www.greenpeace.de/") verzichten kann (wie dies z.B. die deutschsprachige Sektion von AMNESTY INTERNATIONAL tut, die ihre Seiten auf dem Host "www.koeln-online.de" untergebracht hat, sind lediglich ein Zugang ("Account") zu einem "Host", etwas Plattenspeicher und ein paar Mitglieder, die sich in die relativ einfache Programmiersprache HTML einarbeiten, nötig, um ein Angebot bereitzustellen. Mit der zunehmenden Digitalisierung der für den Hobby- bzw. Amateurbereich bestimmten Peripheriegeräte (also z.B. Fotoapparate, Videokameras, Tonaufnahmegeräte) wird auch die ökonomische Zugangsschwelle für multimediale Angebote sinken und so, wenn denn die Steigerung der Uuml;bertragungskapazitäten im Netz und zum Endbenutzer dies zuläßt, auch für kleinere Organisationen überwindbar.
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