10.3. Die Angebote etablierter Medien im Internet(270)

Auch bei den Angeboten etablierter Medien im Internet dominiert bisher noch eindeutig die textbasierte Informationsvermittlung. Allgemein wird versucht, das Internet-Angebot von Aussehen und Inhalten her in das jeweilige Konzept des Verlages bzw. des Senders zu integrieren. Angebote, die ursprünglich aus dem Printmedienbereich kommen, haben dabei gegenüber den Angeboten ursprünglich audiovisueller Medien den Vorteil, daß die von den Zuschauern in diesem Zusammenhang erwarteten Text- und Bildbeiträge bezüglich ihrer Umsetzung und Übermittlung keine großen technischen Schwierigkeiten bereiten. Allerdings zeigen auch die eher den Benutzererwartungen entsprechenden Angebote von Zeitungen und Zeitschriften, daß sich hier ebenso wie bei den audiovisuellen Medien tragfähige Konzepte noch in der Entwicklungsphase befinden. "Gruner + Jahr beispielsweise betrachtet das Internet-Angebot der Fernsehzeitschrift TV-Today ("The Navigator"), das weit über eine elektronische Programmzeitschrift hinausgeht, als Online-Laboratorium für den gesamten Verlag."(271) Die Angebote der Hörfunk- und Fensehanstalten in Deutschland beschränken sich bislang weitestgehend auf Hörer- bzw. Zuschauerbindung. Einige Sender der ARD arbeiten allerdings inzwischen an Pilotprojekten in den Bereichen "Live Radio im Internet", "Radio on Demand"(272) und "Video on Demand".(273)

Allgemein läßt sich wohl sagen, daß die Angebote bisher vor allem der Imageförderung und der Gewinnung von Know-How dienen. Da es noch keinerlei Erkenntnisse darüber gibt, wie das Angebot im Internet aussehen soll oder wie es gewinnbringend vermarktet werden könnte, für viele denkbare Anwendungen (insbesondere im audiovisuellen Bereich) außerdem tragfähige technische Umsetzungen noch fehlen, unterscheiden sich die Angebote sowohl hinsichtlich der Investitionsbereitschaft der Herausgeber/ Betreiber (und damit v.a. in ihrem Umfang), als auch in ihren Inhalten und in den dem Benutzer zur Verfügung gestellten Funktionen sehr stark. Dem Bestreben, mit einem umfangreichen Angebot neue Interessenten für das eigene Produkt zu gewinnen, steht offensichtlich häufig die Furcht entgegen, dadurch Käufer bzw. Abonnenten an die Online-Ausgabe zu verlieren. Die Veröffentlichung der gesamten aktuellen Ausgabe, wie dies durch die TAGESZEITUNG geschieht, ist deshalb äußerst selten.(274)

Bei der RHEIN-ZEITUNG in Koblenz hat man sich dagegen z.B. für eine gesonderte Internet-Ausgabe des Blattes entschieden, die nur einen Teil der Artikel aus der gedruckten Ausgabe aktuell zugänglich macht, dafür aber auch Informationen liefert, die nicht oder noch nicht durch die gedruckte Zeitung vermittelt werden. Man setzt hier v.a. auf die Möglichkeiten einer aktuellen Berichterstattung, indem die Inhalte auch tagsüber regelmäßig aktualisiert werden und indem man die "Blitz-" und "Eilmeldungen" der DPA ebenso automatisch auf einer Seite zugänglich macht wie alle Kurzmeldungen auf einer anderen Seite. Diese Angebote liefern zwar nur einen äußerst kurzen Nachrichtenüberblick, dafür jedoch einen äußerst aktuellen.(275) Daß das Archiv im Internet sowohl die Online-Ausgabe als auch die gedruckte Ausgabe umfaßt, ist für den Benutzer eine weitere attraktive Anwendung, die Hintergrundinformationen vermitteln kann und zudem, wenn man dem Satz glauben schenkt, daß nichts so alt ist wie die Zeitung von gestern, auch keine Konkurrenz für die gedruckte Zeitung darstellt.
Allgemein wünschenswert wäre m.E. in den Archiven neben einer Volltextrecherche auch eine Verknüpfung der aktuellen Artikel mit den bereits zu diesem Thema erschienenen Artikeln, was durch eine Stichwort- oder Codenummervergabe für jedes Thema, wie dies z.B. auch bei Nachrichtenagenturen geschieht, automatisierbar wäre.(276)

Einige Online-Ausgaben von Zeitungen bzw. Zeitschriften versuchen durch Zusatzfunktionen ihre Attraktivität zu steigern. Bei der ZEIT IM INTERNET kann man bspw. die Stellenanzeigen abonnieren, die man dann per e-mail zugesandt bekommt. Bei FOCUS ONLINE werden in der Rubrik "Inter@ktiv" dagegen Datenbanken, mit denen bspw. die neuen Auto-Haftpflicht-Versicherungstarife, günstige Linienflüge oder der Nutzen einer vorzeitigen BaföG-Rückzahlung ermittelt werden können, zur Verfügung gestellt. Kommunikation unter den Benutzern des FOCUS ONLINE-Angebots fällt dagegen anscheinend nicht unter den Begriff Interaktion. Allerdings findet sich unter "Pinnw@nd" ein übersichtlich gestaltetes Diskussionsforum, in das die Beiträge unmoderiert eingestellt werden, und wo auch der Hinweis, daß man es sich vorbehält, Beiträge zu löschen, nicht fehlt. Durch die übersichtliche Gestaltung der Kommentare, Fragen und der dazugehörigen Erwiderungen und Antworten ist hier auch eine größere Anzahl von Themen in einem gemeinsamen Forum einigermaßen überschaubar.(277) Aber auch redaktionell bearbeitete Themen aus dem Politik-Bereich tauchen zuweilen als Zusatzangebote auf. Bei FOCUS ONLINE bspw. die Angebote "Anfragen aus dem Bundestag" und "Bürgerbegehren werden allmählich zur Normalität". Das erste der beiden Angebote stellt die Antworten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen zur Verfügung, wobei mittels Hypertext auch auf Texte über die Grundlagen für parlamentarische Anfragen an die Bundesregierung und deren Bedeutung für den politischen Alltag verwiesen wird. Das zweite Angebot stellt einen redaktionellen Text mit dem Titel "Bürgerbegehren werden allmählich zur Normalität" bereit, in den auch Verweise auf erklärende Texte, bspw. zu den Begriffen "Bürgerbegehren", "Volksentscheid" oder "direkte Demokratie" eingearbeitet sind. Der Text wird so auch für Menschen, die mit diesen Begriffen nicht vertraut sind, verständlich. Eine dauerhafte Archivierung solcher, nicht an aktuellen Ereignissen orientierten Beiträgen, könnte allmählich ein elektronisches Wörterbuch der Politikbegriffe entstehen lassen, das zwar sicher die politische couleur der jeweiligen Zeitung/ Zeitschrift widerspiegeln würde, mit der Zeit jedoch einen tiefer strukturierten, quasi "selbsterklärenden" Aufbau von in diesem Angebot publizierten Artikeln ermöglichen würde.
Auf die Einbindung der Angebote in die vernetzte Struktur der Informationen im Internet wird weitestgehend verzichtet. Wie bei den anderen bisher behandelten Angeboten auch, verweisen die Zeitungen und Zeitschriften fast ausschließlich auf eigene Angebote. Lediglich eine gesonderte Seite mit interessanten, generellen Verweisen wird öfter ins Angebot aufgenommen. Eine inhaltliche Verknüpfung der Themen ist dagegen selten. Ausnahmen, wie sie bspw. die ZEIT IM INTERNET praktiziert, zeigen jedoch die Möglichkeiten auf. Hier sind die Artikel mit anderen über das Internet erreichbaren Informationsquellen verknüpft, wobei auffällt, daß diese Möglichkeit bei Themen, die sich mit Online-Aspekten befassen, stärker genutzt wird. Dies kann sowohl daran liegen, daß das Internet noch immer stark selbstreferentiell geprägt ist und sich so verwendbare Beiträge v.a. rund um die Themen Computer und Vernetzung finden, als auch daran, daß die Autoren dieser Themen mit dem Internet besser vertraut sind und es stärker für die Recherche nutzen. Ein gelungenes Beispiel ist m.E. z.B. der Artikel "Tod der elektronischen Zeitung!", bei dem Hintergrundinformationen bzw. Quellen zu den wichtigsten Themenaspekten über Verweise zu erreichen sind. Ihre Zahl ist zunächst relativ beschränkt und umfaßt lediglich die wichtigsten Aspekte. Auf der folgenden Seite wird dann jeweils ein Überblick über erreichbare Informationen im Netz gegeben oder aber es werden Aspekte der Diskussion, die nicht im Netz, sondern in anderen Presseerzeugnissen besonders gut dargestellt wurden, wiedergegeben. Der Informationsgehalt des Artikels wächst so um einiges über den in der Papierausgabe abgedruckten hinaus. Allgemein läßt sich allerdings sagen, daß die Möglichkeit, ein Thema auf diese Art und Weise umfassend zu behandeln und in seine Teilaspekte aufzufächern, ohne den Artikel selbst durch "Randdiskussionen" zu zerstören, bisher kaum genutzt wird.

Auch die Angebote etablierter audiovisueller Medien werden i.A. von Klatsch und Tratsch, nebensächlichen "Hintergrundinformationen" wie Bildern und Kurzbiographien der Moderatoren oder einem alle paar Minuten von einer festinstallierten Kamera aktualisierten Bild des Sendestudios bestimmt. Daneben sind aber z.B. auch Programmhinweise, Skripte und zusätzliche Informationen zu Sendungen und deren Themen erhältlich. Seit einiger Zeit versuchen verschiedene Sender (insbesondere der ARD) computervermittelte Kommunikation auch für andere Aufgaben als die Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen.
Bereits Ende 1994 starteten der SDR und der SWF mit dem "RadioNet" ein Pilotprojekt - damals wegen der noch geringen Verbreitung von Internetzugängen als Subnetz des Fido-Netz.(278) Neben der Bereitstellung von aktuellen Arbeitsmaterialien für Multiplikatoren wie Journalisten und Lehrer sollen hier neue Formen der Kommunikation zwischen der Sender- und Empfängerseite erprobt werden. Ein m.E. interessantes Experiment bildet hierbei die Kurzhörspielserie "Larissa 4-2", Fünfminuten-Krimis, die von einem Hörerkollektiv gemeinsam mit der Redaktion geschrieben werden. In einem Diskussionsforum des RadioNet "lesen, kommentieren, ergänzen und diskutieren die Hörer/ User den Plot, entwickeln Varianten und schreiben Dialoge, sogar akustische Dateien lassen sich einspeisen, die dem SDR-Team, das die Clips produziert, als Produktions-Bausteine dienen."(279) So werden jede Woche bis freitags Vorschläge im Netz gesammelt und diskutiert, aus denen die Redakteure dann die neue Folge erstellen, die montags produziert und dienstags gesendet wird.
Auch wenn die Redakteure keine Zensur ausüben wollen, bleiben die Hierarchie-Ebenen von Produktion und Distribution auch hier in Gestalt der Schlußredaktion weiter erhalten. Dies ist wohl auch nötig, um jeden Montag ein stimmiges Manuskript für die Produktion vorliegen zu haben. Und auch ein anderer Beschränkungspunkt kann nicht überwunden werden. "Das Netz kennt tendenziell unendlich viele Autoren, eine übersichtliche Kommunikation zwischen diesen vielen wird praktisch unmöglich, Interaktivität der Kommunikation ist also eine Frage begrenzter Teilnehmerzahl."(280)

Bei Sendereihen, die über längere Zeiträume laufen, bietet der hier versuchsweise eingeschlagene Kommunikationsweg m.E. die Möglichkeit, ohne den Druck eines festen Sendetermins, Themen zu diskutieren, bzw. eine Gruppe diskutieren zu lassen und dann das Destillat für eine Sendung zu verwenden. Damit wäre zwar keine direkte Zuschauerbeteiligung garantiert, doch würde den Hörern ein Diskussionsraum zur Verfügung stehen, von dem sie wissen, daß er auch von der verantwortlichen Redaktion zur Kenntnis genommen wird - auch wenn nicht jede Anfrage direkt durch einen Redakteur beantwortet wird.

Neben der Nutzung von Computernetzen als Zulieferer von Informationen richten die Sender ihr Augenmerk immer mehr auf die Möglichkeit, diese auch zur Distribution zu nutzen. Nachdem der SFB gemeinsam mit dem ORB zur INTERNATIONALEN FUNKAUSSTELLUNG '95 das Pilotprojekt "InfoRadio" gestartet hatte, folgte zur CEBIT '96 der BR mit seinem Pilotprojekt "Personal R@dio". Da das Pilotprojekt aus Berlin/ Brandenburg, das bei seinem Start schon von größten Schwierigkeiten, überhaupt etwas über das Internet zu senden, gezeichnet war, heute lediglich den Abruf der gesamten Nachrichten in einem sehr großen "Überraschungspaket"(281) zuläßt, von dem der Nutzer nicht weiß, was sich darin verbirgt, soll im Folgenden kurz auf das Pilotprojekt des BR eingegangen werden, das sicher zukunftsweisender ist. Bei diesem Projekt, das in Zusammenarbeit mit der GESELLSCHAFT FÜR MATHEMATISCHE DATENVERARBEITUNG (GMD), St. Augustin und zwei Spin-Off-Firmen derselben verwirklicht wird, stehen dem Benutzer sowohl eine live-Übertragung des laufenden Programms von B5 aktuell, als auch ein Archiv mit allen gesendeten Beiträgen der letzten Woche zur Verfügung. Der wohl bedeutendste Vorteil für den Benutzer ist dabei, daß er das abgerufene Programm schon während der Übertragung hören kann (sog. "live-Radio") und nicht erst auf das Ende der Übertragung warten muß, ehe er sich die Tondatei anhören kann. Die Bereitstellung der Beiträge wird automatisiert von einem Rechner bei der GMD geleistet. Dabei wird das Radiosignal stark komprimiert,(282) was zu einer Verminderung der Tonqualität führt. (Diese läßt sich in etwa mit der einer Mittelwellen-Übertragung vergleichen.) Im weiteren Verlauf des Projekts soll die Übertragungskapazität allerdings "vom Kurzwellen-ähnlichen Rauschsound bis zur CD-Qualität"(283) frei wählbar werden, so daß der Benutzer sie seinen Bedürfnissen und den gegebenen Übertragungskapazitäten anpassen kann.
Das Archiv ist, entsprechend dem Sendeschema von B5, in viertelstündige Blöcke aufgeteilt, die nach der Ansicht des samt Legende etwas komplizierten Sendeschemas dann themenbezogen ausgewählt und abgerufen werden können. Diese Verfahrensweise erscheint zwar auf den ersten Blick nicht besonders anwenderfreundlich - und ist in ihrer graphischen Umsetzung sicher auch noch verbesserungsfähig - macht aber eine wesentliche Voraussetzung für eine der Wirtschaftlichkeit verpflichtete Umsetzung deutlich. "Der hier begangene Prozeß der Automatisierung ist für echte Online-Anwendungen dabei entscheidend. Viele denkbare interaktive [im Sinne von frei wählbare] Multimediaanwendungen sind wegen ihres hohen Aufwandes wirtschaftlich nicht vertretbar."(284) Die Angebote machen für die Anbieter also nur Sinn, wenn sie auf lange Sicht kaum zusätzliche Personalkosten verursachen, die Inhalte des herkömmlichen Rundfunkprogramms also von einer Maschine automatisch in ein "on Demand"-Angebot für das Computernetz umgewandelt werden können. Nach Umstellung der gesamten Produktionsvorgänge von Analog- auf Digitaltechnik sollte dies jedoch kein größeres Problem mehr darstellen. Wenn die Korrespondenten ihre Berichte bereits digital produzieren und diese auch nur noch in digitaler Form weiterverarbeitet werden, sollte es auch kein Problem mehr sein, Einzelbeiträge unabhängig vom Sendeschema zur Verfügung zu stellen.(285)
Die Zusammenarbeit von BR und COMPUSERVE läßt zudem ahnen, daß man sich bei der späteren wirtschaftlichen Umsetzung dieses Pilotprojektes alle Möglicheiten offenhalten möchte - eben auch die Möglichkeit, den Dienst nur in kommerziellen Netzen gegen Entgelt zu verbreiten. Das Internet eignet sich wegen der Aufgeschlossenheit und Probierfreudigkeit vieler Nutzer bei technischen Neuerungen dagegen besonders gut für eine erste Erprobung des Konzepts. Vielleicht bleibt den Internet-Nutzern aber wenigstens der Zugang zu der schriftlichen Fassung der aktuellen Meldungen erhalten, bei dem die für den Sprecher vorbereiteten Texte nach der Sendung automatisch in das Informationsangebot des Senders eingestellt werden. Eine m.E. nicht nur den momentanen Übertragungskapazitäten, sondern auch dem Inhalt wesentlich besser entsprechende Umsetzung als die Audio-Übertragung, die allerdings bei Originaltönen, also bspw. Interviews, nicht automatisierbar ist.

Bei der Gestaltung des Internet-Angebots von ARD-aktuell war man sich wohl der geringen Attraktivität bewußt, die ein Video on Demand-System allein - bei der heute zur Verfügung stehenden Übertragungsbandbreite - auf die Zuschauer ausüben würde. So besteht das Angebot auch aus einer Mischung von textbasierter Information und den aus der jeweiligen Sendung übernommenen Videosequenzen. Das Angebot umfaßt bisher die jeweils aktuelle Sendung der Tagesschau (17.00 und 20.00 Uhr-Ausgabe, die Nachtausgabe bleibt unberücksichtigt) und die letzte Sendung der Tagesthemen. Eine Einbindung des Nachtmagazins in das Angebot ist geplant.(286) Die erste Seite bietet dabei den jeweiligen Nachrichtenüberblick in Schlagzeilen und ein Standbild aus dem "Top-Beitrag" der Sendung. Über ein vorangestelltes Stichwort kann man dann mittels Hypertext auf die Seite mit der schriftlichen Meldung der Nachrichtensendung gelangen, wobei nur die vom Sprecher/ Moderator verlesenen Meldungen zur Verfügung stehen. (Die Texte der Zuspielungen, wie auch des Wetterberichtes, werden nicht in schriftlicher Form angeboten.) Auf dieser Seite befindet sich jeweils auch ein Standbild aus dem Bericht, das "angeklickt" werden kann und dann die Übertragung des betreffenden Originalausschnittes startet.(287) Nach kurzem Warten kann der Benutzer dann ein sehr kleines, sehr wackeliges Bild mit dem gewählten Videoausschnitt betrachten und dazu die Stimme des Moderator, Sprechers oder Korrespondenten hören. Wenn man bedenkt, daß bei einer "Live-Radio-Übertragung" nur 5,7% des normalen Stereosignals Platz auf dem Träger finden, so ist es zwar erstaunlich, daß zusätzlich zum Ton überhaupt ein Bild übertragen werden kann, das Ergebnis macht aber doch gleichzeitig deutlich, welche Fortschritte bei den Kompressionsverfahren oder welcher Ausbau der Übertragungswege noch nötig ist, ehe eine qualitativ auch nur akzeptable "Live-Übertragung" insbesondere von Videodateien möglich ist, will man nicht wieder auf die bekannten Übertragungswege zurückgreifen.(288)
Auch dieses Angebot beschränkt sich letztlich auf die Wiederverwertung bereits produzierten und gesendeten Materials, das zwar "multimedial" ist, dessen Elemente, die über Text und Standbild hinausgehen, für den Betrachter allerdings mehr Spielerei als Nutzen bringen. Aktuelle Informationen, die über das im Fernsehen verbreitete Material hinausgehen, finden sich nicht - eine redaktionelle Aufbereitung des Internet-Angebots findet nicht statt. Die Zusatzangebote "Schaukasten"(289), "Wir über uns"(290) und das "Gästebuch"(291) tragen ebenfalls nicht zur Information der Zuschauer bei. Das geplante Archiv, in dem alle Beiträge ab dem 1.8.1996 über eine Volltext- oder Schlagwortsuche(292) recherchierbar gemacht werden sollen, wird nach einiger Zeit dagegen insofern Sinn machen, als der Nutzer damit gezielt Zugriff zu allen Beiträgen, die zu einem bestimmten Thema gesendet wurden, erhalten würde.

Wenn man das Engagement etablierter Medien im Internet insgesamt betrachtet, läßt sich feststellen, daß der Umstand, daß die Angebote i.A. wohl über das Marketingbudget finanziert werden, sich noch deutlich auf das Angebot niederschlägt. Mit der Abbildung (eines Teils) der redaktionellen Berichte ins Netz wird auf Dauer jedoch kaum die Attraktivät für die Benutzer entstehen, die nötig sein wird, um eine wirtschaftlich lohnende Umsetzung, bspw. über Abonnements zu erreichen. Allein die Wiederverwertung von Material, seien dies die Artikel einer Zeitung oder die Videoausschnitte der Tagesschau vom Vortag, wird nach Abklingen der anfänglichen Begeisterung wohl kaum noch Nutzer locken. Neben den Angeboten, die die Nutzer auch auf herkömmlichem Weg beziehen können, wären zusätzliche Funktionen oder Angebote, die so bisher noch nicht in anderen Medien bestehen, nötig. Auch wenn sich alle Konzepte noch im Experimentalstadium befinden, so deutet die heutige "Versuchsanordnung" doch darauf hin, daß das Hauptaugenmerk bei den Versuchen, das jeweilige Angebot attraktiv zu gestalten, kaum auf der Vermittlung politisch relevanter Informationen liegt. Diese bilden vielmehr zumeist nur den Rahmen - häufig in möglichst vertrautem Aussehen. Auch kommunikative Elemente spielen hier nur eine untergeordnete Rolle. Zwar darf neben der Möglichkeit, eine e-mail an die Redaktion zu schreiben auch das "Gästebuch" in kaum einem Angebot fehlen, doch hat dies von seiner Gestaltung her in den meisten Fällen wirklich den Charakter eines Gästebuches und bietet nur selten die Möglichkeit, Diskussionen zu führen. Serviceelemente, wie bspw. der Stellenmarkt bei der ZEIT IM INTERNET oder beim WDR oder Datenbankabfragen wie bei FOCUS ONLINE überwiegen momentan bei den Versuchen, dem neuen Medium Zusatzangebote abzuringen und so das Angebot attraktiv zu gestalten. Dabei wären auch im Bereich der politischen Information attraktivitätssteigernde Zusatzangebote denkbar. Der Zugang zu einem umfassenden Archiv wäre eine solche Funktion, die allerdings wegen der - auch in einem gut sortierten Archiv - zuweilen mühsamen Suche nach den gewünschten Informationen v.a. für Nutzer aus dem wissenschaftlichen oder journalistischen Bereich und für am Thema sehr interessierte "Normalnutzer" interessant wäre. Wenn die Möglichkeiten des Hypertext wirklich genutzt würden, könnten jedoch auch andere Informationsangebote eine breitere Benutzergruppe ansprechen. Neben speziellen Angeboten, die bisher so dem größten Teil der Nutzer nicht zugänglich waren, und nun bei Bedarf genutzt werden können - wie die besprochene Veröffentlichung von Antworten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen durch FOCUS ONLINE - könnten auch redaktionelle Beiträge zu umfassenden Informationsquellen werden, die sowohl Hintergrundinformationen, Begriffserklärungen als auch Kommentare bereitstellen. Über eine Systematisierung könnte außerdem die Entwicklung des besprochenen Themas dokumentiert und so für den Benutzer leicht zugänglich gemacht werden.(293) Alle bisher genannten Anwendungen setzen jedoch im Prinzip kein Kommunikationsnetz voraus. Der Aufbau der Kommunikation ist, wie bei den traditionellen Medien, sternförmig: Ein Zentrum ("Sender"), verbunden mit vielen Punkten an der Peripherie (Rezipienten), die über einen schmalbandigen Kommunikationskanal ihre Steuerungsbefehle für den Informationsfluß an das Zentrum schicken und von dort mit einer Fülle angeforderter Daten über einen breitbandigen Kommunikationskanal versorgt werden. Lediglich durch den Umstand, daß es viele "Sender" gibt, ergeben die sich überlagernden Sterne so etwas wie ein Netz. Damit unterscheidet sich diese Art des quot;Informationsvertriebes" nicht von dem Muster, nach dem Rundfunk und Printmedien bisher funktionieren. Die potentielle Stärke und das für die Massenkommunikation wirklich Neue ist jedoch gerade die Netzstruktur, die ohne Zentrum auskommt. Neben der Möglichkeit der tiefen Strukturierung des eigenen Angebots mit Hintergrundinformationen, Erklärungen und Kommentaren besteht auch die Möglichkeit, Informationen, die nicht aus der eigenen Redaktion stammen, mit in das Angebot einzubeziehen. Von dieser Möglichkeit, die anhand des Artikels "Tod der elektronischen Zeitung!" besprochen wurde, wird bisher selten Gebrauch gemacht, obwohl gerade die mit Sachverstand betriebene systematische Erschließung, Prüfung und Kommentierung, also quasi die Kanalisierung von über das Internet zugänglichen Quellen, ein journalistisches Feld ist, das sowohl dem Charakter des Internet entspricht, als auch ein für den Nutzer attraktives Angebot darstellt. Daraus könnte sich eine neue Art von Journalismus entwickeln, der nicht nur die Quelle der Information nennt (wie dies bisher zumeist durch die Nennung der Nachrichtenagentur, von der das Rohmaterial stammt, geschieht), sondern die Quellen auch gleichzeitig zugänglich macht - dem interessierten Benutzer also weiterführende Informationen zur Verfügung stellt.

Die Ergänzung des politischen InformationsAngebotses durch themenorientierte Kommunikationsangebote könnte nicht nur "dem Bürger eine Stimme geben", sie könnte auch für den "Informationsveranstalter" positive Effekte haben. So könnte sie zum einen zu einer engeren Bindung des Rezipienten an den "Informationsveranstalter" bzw. an das "Produkt" führen, zum anderen könnte sie sicher auch manche Anregung hervorbringen, bspw. Tips für Recherchen, sei es im Netz oder in der "realen" Welt oder Hinweise auf bisher vernachlässigte Aspekte in komplexen Zusammenhängen.



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